Niedersachsen klar Logo

Verwaltungsgericht gibt Eilrechtsschutzantrag der AfD für geplante Wahlkampfveranstaltung in Stuhr/Brinkum statt

Von der Gemeinde verfügte Verlegung des Versammlungsortes ist voraussichtlich rechtswidrig


Der lokale Kreisverband der AfD hat der Gemeinde Stuhr für den 24.08.2017 die geplante Durchführung einer Wahlkampfveranstaltung auf den Parkplatzflächen hinter dem ZOB-Gebäude im Ortsteil Brinkum angezeigt. Als Gastredner soll dabei der Spitzenkandidat der AfD für die Bundestagswahl, Herr Dr. Gauland, auftreten. Nach ihren Angaben in der Anzeige rechnet die AfD mit ca. 400 Teilnehmern.

Nachdem die Gemeinde nach erfolgtem Kooperationsgespräch zunächst mit Bescheid vom 15.08.2017 u.a. den gewünschten Versammlungsort bestätigt hatte, änderte sie diesen Bescheid nach einem weiteren Kooperationsgespräch mit dem angegriffenen Bescheid vom 18.08.2017 dahingehend ab, dass die Versammlung anstelle auf den Parkplatzflächen hinter dem ZOB nunmehr auf dem Schützenplatz Brinkum stattzufinden habe. Sie begründete das damit, dass aufgrund der breit angelegten Werbung für die Veranstaltung mit deutlich mehr als den ursprünglich angegebenen ca. 400 Teilnehmern zu rechnen sei. Maßgebend seien für diese Einschätzung auch Erfahrungen aus Erfurt und Hamburg sowie der Umstand, dass die niedersächsische AfD insgesamt nur zwei Veranstaltungen plane. Es müsse mit bis zu 1.000 Teilnehmern gerechnet werden. Für eine solche Teilnehmerzahl sei die bisher vorgesehene Fläche zu klein, um bei einem Eintritt einer Gefahrensituation noch die Sicherheit gewährleisten zu können. Der nunmehr zugewiesene Schützenplatz sei mit angrenzenden Sportflächen demgegenüber groß genug und auch als alternativer Versammlungsort hinreichend attraktiv, zumal er nur wenige hundert Meter von dem ursprünglich gewünschten Versammlungsort entfernt liege. Die Gemeinde ordnete zudem die sofortige Vollziehung des Abänderungsbescheides an.


Dem dagegen gerichteten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der zeitgleich erhobenen Klage hat die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 22.08.2017 stattgegeben. Die verfügte Verlegung des Versammlungsortes sei von § 8 Abs. 1 des Nds. Versammlungsgesetzes (NVersG) als allein dafür in Betracht kommender Rechtsgrundlage nicht gedeckt. Nach dieser Norm könne die zuständige Behörde eine Versammlung unter freiem Himmel beschränken - worunter auch die Zuweisung eines anderen als des gewünschten Versammlungsortes falle - , um eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Für das Vorliegen einer unmittelbaren Gefährdung bedürfe es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkreter ordnungsbehördlicher Erkenntnisse als Grundlage der erforderlichen Gefahrenprognose, so z. B. je nach Gefahrentyp über die Zahl und den Kreis der zu erwartenden Versammlungsteilnehmer, über Aufrufe zu Gewalttaten oder sonstige konkrete Indizien für befürchtete Straftaten. Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichten demgegenüber für sich allein nicht aus. Diesen Maßstäben werde die angegriffene Entscheidung bei summarischer Prüfung nicht gerecht. Die Wahl des Veranstaltungsortes gehöre zu den verfassungsrechtlich geschützten Interessen des Veranstalters. Es fehle an konkreten Erkenntnissen, dass tatsächlich eine deutlich höhere Anzahl von Teilnehmern als vom Veranstalter prognostiziert an der Versammlung teilnehmen werde. Der bloße Verweis auf Veranstaltungen der AfD in Erfurt und Hamburg mit ca. 1.200 bzw. 500 Personen lasse diesen Rückschluss nicht zu. Die Situation in Thüringen, wo die AfD bereits im Landtag vertreten und damit insbesondere in der dortigen Landeshauptstadt eine entsprechende öffentliche Präsenz habe, sowie in Hamburg, wo die Veranstaltung in einer Halle stattgefunden habe, sei mit derjenigen in Stuhr nicht zu vergleichen. Dass der geplante Auftritt von Herrn Dr. Gauland Auswirkungen auf die Teilnehmerzahlen haben könne, sei zwar denkbar, lasse sich mangels entsprechender konkreter Erkenntnisse aber nicht prognostizieren. Dazu enthalte der Bescheid auch keine Ausführungen. Die Gemeinde habe zudem nicht hinreichend dargelegt, wo ihrer Meinung nach die Kapazitätsgrenze der Fläche hinter dem ZOB überhaupt liegt.


Gegen den Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe Beschwerde zum Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegt werden.


Az. 10 B 7456/17

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.08.2017
zuletzt aktualisiert am:
23.08.2017

Ansprechpartner/in:
Burkhard Lange als Pressesprecher

Verwaltungsgericht Hannover
Leonhardtstraße 15
30175 Hannover
Tel: 0511 89750352
Fax: 0511 89750400

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln