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Keine einstweilige Anordnung wegen Ausschlusses eines Mitgliedes des Rates der Stadt Hildesheim aus Fraktion

Eilantrag ohne Erfolg


Die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat mit Beschluss vom 26. September 2023 einen Antrag eines aus der CDU-Ratsfraktion ausgeschlossenen Ratsmitglieds auf vorläufige Zulassung zur Fraktionsarbeit abgelehnt.

Der Antragsteller wurde 2021 in den Rat der Stadt Hildesheim gewählt, gehörte der CDU-Fraktion im Rat, der Antragsgegnerin, an und wurde von dieser in eine Reihe von Ausschüssen und Aufsichtsräten entsandt. Aufgrund seines Verhaltens wurde der Antragsteller im November 2022 von der Antragsgegnerin aus allen Ämtern abgezogen. Die Ämter sollten für eine gewisse Zeit (übergangsweise) mit anderen Personen besetzt werden, bis ein neuer Weg der Zusammenarbeit mit dem Antragsteller gefunden sei.

Mitte Juni 2023 stellte der Vorstand der Antragsgegnerin den Antrag, den Antragsteller aus der Fraktion auszuschließen, weil das Vertrauensverhältnis zwischen dem Antragsteller und einer Vielzahl der Fraktionsmitglieder nachhaltig gestört und komplett entfallen sei. Mehrere Fraktionsmitglieder seien nicht weiter bereit, mit dem Antragsteller in der Fraktion zusammenzuarbeiten und begründeten dies vor allem mit seinem Auftreten innerhalb der Fraktion und der öffentlichen Außenwirkung. Auch nach dem „Warnschuss“ durch das Abziehen aus seinen Ämtern habe sich das Verhalten des Antragstellers nicht verbessert, sondern weiter verschlechtert. Eine Möglichkeit zur weiteren konstruktiven Zusammenarbeit werde nicht mehr gesehen. Der Fraktionsausschluss wurde am 22. August 2023 in Abwesenheit des Antragstellers beschlossen, nachdem dieser zuvor zur schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden war, falls er an der Sitzungsteilnahme gehindert sein sollte. Der Antragsteller teilte mit, dass er der Fraktionssitzung aufgrund einer privaten Einladung fernbleiben müsse. Aufgrund eines Informationsdefizits könne er auch keine schriftliche Stellungnahme abgeben.

Nachdem der Antragsteller zunächst erfolglos gegenüber der Antragsgegnerin versucht hatte, den Fraktionsbeschluss über seinen Ausschluss außer Vollzug zu setzen, hat er am 8. September 2023 das Verwaltungsgericht angerufen mit dem Begehren, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine noch zu erhebende Klage gegen den Fraktionsausschluss die Teilnahme an den Fraktionssitzungen, ein Äußerungsrecht in den Fraktionssitzungen und Zugang zu den Ratssitzungsunterlagen zu gewähren. Der Ausschluss aus der Fraktion sei schon aus formalen Gründen rechtswidrig, denn es fehle an einer Abmahnung und einer rechtskonformen Anhörung. Zudem bestünden Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit.

Dem Vorbringen des Antragstellers ist die Kammer nicht gefolgt.

Aufgrund der nur eingeschränkten Möglichkeiten der Einflussnahme eines fraktionslosen Ratsmitglieds hat die Kammer zwar das Vorliegen der Eilbedürftigkeit („Anordnungsgrund“) bejaht, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung jedoch wegen Fehlen eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass er formell oder materiell rechtswidrig aus der Fraktion ausgeschlossen worden ist. Bereits mit der Ladung zu der ursprünglich für den 15. Juni 2023 vorgesehenen und wegen einer Verhinderung des Antragstellers auf den 22. August 2023 verschobenen Sitzung sind den Fraktionsmitgliedern alle notwendigen Informationen übermittelt worden, um sich auf eine sachgerechte Ausschlussdebatte vorbereiten zu können. Dem Antragsteller ist auch das rechtliche Gehör nicht abgeschnitten worden. Der Hinweis des Antragstellers auf einen kollidierenden privaten Termin am 22. August 2023 stellt angesichts der Bedeutung des in Rede stehenden Fraktionsausschlusses bereits keinen ausreichenden Entschuldigungsgrund für die Nichtteilnahme an der Sitzung dar. Außerdem hat er die ihm zuvor eingeräumte Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme nicht wahrgenommen. Soweit er beanstandet, dass ein Informationsdefizit vorgelegen habe, muss er sich entgegenhalten lassen, dass er seit Juni 2023 ausreichend Zeit gehabt hat, sich Kenntnis zu verschaffen. Die erst am 22. August 2023 ausgesprochene Bitte um Überlassung von Unterlagen, auf die die Antragsgegnerin bereits in dem Antrag auf Fraktionsausschluss vom 11. Juni 2023 hingewiesen hatte, ist nach Auffassung der Kammer als ein (untaugliches) taktisches Manöver zu werten, um eine Entscheidung über den Fraktionsausschluss hinauszuzögern oder zu verhindern. In materieller Hinsicht haben bei summarischer Prüfung ein „wichtiger Grund“ für den Fraktionsausschluss vorgelegen und wurde außerdem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Es ist nach Aktenlage offensichtlich, dass das persönliche Vertrauensverhältnis zwischen dem Antragsteller und der überwiegenden Zahl der Mitglieder der Antragsgegnerin nachhaltig und grundlegend gestört ist. Das ergibt sich aus eidesstattlichen Versicherungen der Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin sowie insbesondere den Statements einzelner Fraktionsmitglieder in der Fraktionssitzung am 22. August 2023, die übereinstimmend die mangelnde Teamfähigkeit des Antragstellers beklagen, welche in ihren Auswirkungen die Zusammenarbeit in der Fraktion seit langem belastet habe. Es ist nicht ersichtlich, dass mildere Maßnahmen – insbesondere eine förmliche Missbilligung des Verhaltens gemäß § 10 Nr. 2 der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin – den Antragsteller von seinem Verhalten hätten abbringen können. Der Beschluss vom 3. November 2022, den Antragsteller aus allen Ämtern abzuziehen, stellt einen so deutlichen „Warnschuss“ dar, dass es einer nochmaligen förmlichen Missbilligung des Verhaltens gemäß § 10 Nr. 2 a der Geschäftsordnung vorliegend nicht mehr bedurfte.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Gegen den Beschluss steht dem Antragsteller die Beschwerde zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zu. Die Entscheidung wird zeitnah in dem kostenfrei zugänglichen Niedersächsischen Vorschriftensystem (https://voris.wolterskluwer-online.de) veröffentlicht werden.

Az. 1 B 4632/23

Artikel-Informationen

erstellt am:
26.09.2023
zuletzt aktualisiert am:
28.09.2023

Ansprechpartner/in:
Dr. Mirko Widdascheck als Pressesprecher

Verwaltungsgericht Hannover
Pressesprecher
Leonhardtstraße 15
30175 Hannover
Tel: 0511 89750-382

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