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Eilantrag gegen Versammlungsverbot im zweiten Anlauf erfolgreich

Mit Beschluss vom 5. Mai hat die 10. Kammer einem Eilantrag gegen eine Verfügung des Landkreises Schaumburg stattgegeben, mit der die Durchführung einer Mahnwache verboten wird (Az.: 10 B 2923/06).


Der Antragsteller hatte für den 6. Mai 2006 eine Veranstaltung unter dem Motto: "8. Mai, Gefangen, Gefoltert, Gemordet - damals wie heute - Besatzer raus" als Mahnwache vor dem "Wincklerbad" in Bad Nenndorf angemeldet. Das "Wincklerbad" war nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von britischen Streitkräften als Gefangenenlager benutzt worden. Der Landkreis Schaumburg verbot die Versammlung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Begründung, das gewählte Motto sei geeignet, den Tatbestand der Volksverhetzung zu verwirklichen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass von der Mahnwache und deren Teilnehmern eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgehen werde. Es gebe im Hinblick auf im einzelnen aufgeführte Straftaten und Aktivitäten des der rechten Szene zuzuordnenden Antragstellers erhebliche Zweifel an seiner Zuverlässigkeit als (stellvertretender) Versammlungsleiter.

Dagegen hat der Antragsteller im zweiten Anlauf - nachdem ein erster Antrag aus formalen Gründen als unzulässig abgelehnt wurde - mit Erfolg um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht.

Das Gericht sieht eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die Voraussetzung für eine Beschränkung der verfassungsrechtlich verbürgten Versammlungsfreiheit ist, nicht als gegeben an. Angesichts der hohen Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit rechtfertige nicht jede Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein verbot. Ein solches sei nur zum Schutz von Rechtsgütern zulässig, die dem Versammlungsrecht gleichwertig sind. Für eine Gefährdung solcher Rechtsgüter fehlen nach Auffassung des Gerichts hinreichend konkrete Erkenntnisse.

Das Gericht teilt zunächst nicht die Auffassung des Landkreises, das Motto der Versammlung erfülle den Tatbestand der Volksverletzung. Nach eigenen Erkenntnissen des Landkreises sollen sich in dem Gefangenenlager Vorkommnisse ereignet haben, die menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügen dürften. Wenn diese zum Anlass für eine Mahnwache genommen würden, rechtfertige das gewählte Motto für sich genommen nicht den Schluss, dass Teile der Bevölkerung diffamiert würden. Ein Gedenken an die Vorgänge sei durchaus zulässig. Selbst wenn die Aussage "Besatzer raus" zu erwarten sein sollte, überschreite diese politische Ansicht nicht die Grenzen der Meinungsfreiheit. Diese wäre erst dann überschritten, wenn die Geschehnisse dazu verwendet würden, um die unter der Diktatur Hitlers begangenen Gräueltaten zu verharmlosen oder zu legitimieren. Dafür gebe es jedoch keine bereits aus dem Motto herzuleitenden Anhaltspunkte. Selbst wenn man in die Prognose einbeziehe, dass die Versammlung von Personen getragen sei, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen seien, biete das Versammlungsgesetz nicht die Handhabe, bereits auf ein neutral gehaltenes Motto hin die Wahrnehmung eines Grundrechtes zu versagen.

Es fehle auch an Anhaltspunkten für einen volksverhetzenden oder gewaltsamen Demonstrationsverlauf. Sollte es im Laufe der Versammlung zu einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung kommen, biete das Versammlungsrecht hinreichende Möglichkeiten, darauf zu reagieren.

Es fehlten auch hinreichende konkrete Erkenntnisse, die geeignet seien, die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als stellvertretender Versammlungsleiter zu rechtfertigen. Seit seiner Haftentlassung Anfang 2005 gebe es keine ihm zurechenbaren Vorkommnisse, die seine Unzuverlässigkeit zu begründen geeignet seien. Der Wahrnehmung des Grundrechts aus Art. 8 GG gebiete der Vorrang, weil auch die Möglichkeit bestehe, bei einer etwaigen Fehleinschätzung während der Versammlung die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zulässig.

Presseinfo

Artikel-Informationen

erstellt am:
05.05.2006
zuletzt aktualisiert am:
07.06.2010

Ansprechpartner/in:
VPräsVG Ingo Behrens als Pressesprecher

Verwaltungsgericht Hannover
Pressestelle
Leonhardtstraße 15
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Tel: 0511/89750-318
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