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Entscheidungen zu den Demonstrationen in Bad Nenndorf/Wincklerbad

Die Demonstration von Rechts bleibt mit den Vorgaben zur Strecke erlaubt, der DGB scheitert mit seinem Antrag gegen das Demonstrationsverbot.


Mit Beschlüssen vom 12.08.2010 gab die 10. Kammer dem Eilantrag der Rechten gegen die Verfügung des Landkreises Schaumburg, mit der die Durchführung einer Versammlung verboten wurde, im Wesentlichen statt und lehnte den Eilantrag des DGB gegen eine entsprechende Verbotsverfügung ab.

Beide Antragsteller haben für den 14.08.2010 Versammlungen angemeldet. Die Anmeldungen beider Versammlungen hatte der Landkreis zunächst unter Verfügung von Auflagen und einer verkürzten Aufzugsstrecke bestätigt.

Mit Bescheiden vom 11.08.2010 verbot der Landkreis Schaumburg unter Aufhebung seiner Bescheide beide Versammlungen mit der Begründung, die aktuelle Lageentwicklung seit Erlass der Versammlungsbestätigung habe zu einer Neubewertung der bisherigen Gefahrenprognose geführt. Danach lägen die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vor, denn der Polizei stünden am Samstag nicht genügend Kräfte zur Verfügung, um die Einsatzlage zu bewältigen. Eine neue Kräftebedarfseinschätzung ergebe einen zusätzlichen Bedarf von fünf Einsatzhundertschaften, welcher vom Ministerium für Inneres auch nach einer durchgeführten Bund-Länder-Abfrage nicht gedeckt werden könne. Die Mobilisierungen im rechts- und linksextremistischen Spektrum hätten deutlich zugenommen, so dass nicht nur mit einer erhöhten Anzahl von Teilnehmern zu rechnen, sondern auch von einem erheblich erhöhten Gewaltpotential auszugehen sei. Nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen würde es bei der Durchführung beider Versammlung zu schweren Ausschreitungen und damit zu Körperverletzungen und Sachbeschädigungen kommen.

Gegen diese Verfügungen haben sowohl die Rechten als auch der DGB um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Das Gericht lehnte den Eilantrag des DGB ab und gab dem Eilantrag der Rechten im Wesentlichen statt:

Auch nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Unterlagen seien bei Durchführung beider Veranstaltungen die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstandes anzunehmen. Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben sowie Sachen von bedeutendem Wert. Die Kammer folgt der Einschätzung des Landkreises, dass aufgrund der nunmehr zu erwartenden Zahl an Teilnehmern für beide Versammlungen und der ebenfalls gestiegenen Zahlen an erwarteten links- und rechtsextremen Teilnehmern ein gegenüber der zunächst zugrunde gelegten Zahl an notwendigen Einsatzkräften erhöhter Bedarf an Kräften besteht. Benötigt würden nach der am 11.08.2010 aufgestellten Kräftekonzeption 5 Hundertschaften mehr als in der ursprünglichen Kräftebedarfsberechnung, die noch von einem Kräftebedarf von insgesamt 2.000 Einsatzkräften, darunter 16 Einsatzhundertschaften ausging. Das Gericht hält die neue Bedarfsberechnung für nachvollziehbar und legt sie seiner Entscheidung zugrunde, zumal aus Zeitgründen keine weitere Möglichkeit zur Aufklärung bestand.

Unter Berücksichtigung dieser Zahlen fehlt es nach Auffassung der Kammer aber an nachvollziehbaren Gründen, warum nicht bei dem Verbot lediglich einer der beiden Versammlungen genügend Einsatzhundertschaften vorhanden seien, und zwar selbst dann, wenn unterstellt werde, dass trotz des Verbotes einer der Versammlungen mit - militanten - Teilnehmern der verbotenen Versammlung zu rechnen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die zur Verfügung stehenden ca. 2.000 Polizeikräfte nicht in der Lage wären, zumindest einen der beiden Aufzüge zu schützen und auch die Gefahrenlage im Übrigen zu beherrschen.

Bei der Ermessensentscheidung, welche Versammlung zu verbieten sei, müsse die Entscheidung zu Lasten der Versammlung des DGB fallen; zum einen, weil die Rechten ihre Versammlung zuerst angemeldet hätten und daher das sogenannte Erstanmelderprivileg für sich in Anspruch nehmen könnten. Darüber hinaus und entscheidend sei aber zu berücksichtigen, dass für den 14.08.2010 offenkundig deutlich mehr gewalttätiges Potential aus dem linksautonomen Spektrum zu erwarten sei als auf Seiten der sogenannten Autonomen Nationalisten. Die Polizeidirektion Göttingen schätze die Zahl der zu erwartenden Linksextremisten auf 400 - 500 ein und die Zahl der gewaltbereiten Autonomen Nationalisten auf 250.

Die Kammer hat auch erwogen, ob dem DGB statt eines Totalverbots nicht zumindest die Durchführung einer stationären Versammlung gestattet werden könne. Sie sieht sich hieran allerdings dadurch gehindert, dass es zur Vermeidung eines polizeilichen Notstands notwendig erscheine, gewaltbereiten Kräften nicht die Möglichkeit einzuräumen, im Rahmen einer rechtmäßig durchgeführten Versammlung zu agieren. Darüber hinaus würden bei Durchführung einer stationären Kundgebung zusätzlich Polizeikräfte gebunden.

Gegen die Entscheidungen ist die Beschwerde vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zulässig.

Az.: 10 B 3508/10 und 10 B 3503/10

Artikel-Informationen

erstellt am:
12.08.2010

Ansprechpartner/in:
VPräsVG Ingo Behrens als Pressesprecher

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