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Verwaltungsgericht stoppt geplante Ladenöffnung am kommenden Sonntag in Garbsen

Eilantrag der Gewerkschaft verdi gegen Erlaubnisverfügung der Stadt Garbsen hat Erfolg


Mit Beschluss vom heutigen Tage hat die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der von der Gewerkschaft verdi erhobenen Anfechtungsklage gegen die von der Stadt Garbsen im Wege einer Allgemeinverfügung erteilte Erlaubnis zur Öffnung von Verkaufsgeschäften in Garbsen am kommenden Sonntag wiederhergestellt. Danach dürfen die Geschäftsinhaber von der Erlaubnis nach derzeitigem Stand keinen Gebrauch machen.

Die 11. Kammer hat in dem Beschluss zunächst gerügt, dass die Stadt Garbsen die von ihr angeordnete sofortige Vollziehung der Erlaubnis nicht - wie vom Gesetz in § 80 Abs. 3 VwGO gefordert - hinreichend begründet habe. Zudem erweise sich die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Allgemeinverfügung über die Öffnung von Verkaufsstellen in ihrem Gebiet anlässlich der Veranstaltung „Entdeckertour Garbsen – Streetfestival“ bei summarischer Prüfung auch in der Sache als offensichtlich rechtswidrig.

Die Allgemeinverfügung sei bereits formell rechtswidrig. Der Antragsgegnerin liege erkennbar kein wirksamer Antrag vor, der die Allgemeinverfügung für die Regelungen nach dem NLöffVZG inhaltlich rechtfertige. Entgegen der für die Allgemeinverfügung abgegebenen Begründung, „aufgrund des Antrages der Garbsener Arbeitsgemeinschaft der Einzelhändler“ sei die Allgemeinverfügung erlassen worden, finde sich im Verwaltungsvorgang lediglich ein Antrag der Werbegemeinschaft des Shopping-Plaza Garbsen in der Havelser Straße vom 29. März 2017 und der in der Horster Straße 2-10 ansässigen X GmbH & Co. KG vom 21. Februar 2017 für Verkaufsflächen von ca. 11.000 m², der nicht den 2. April 2017 erfasse. Sofern letztere von der Größe her die 36 Geschäfte im Planeten-Center im Planetenring vertrete, fehle es jedenfalls an einem Antrag des ebenfalls in der Havelser Straße liegenden Nord-West-Zentrums mit weiteren 20 Geschäften, der Geschäfte des in 3 km Entfernung vom Zentrum der Antragsgegnerin an der B6 liegenden Gewerbegebietes sowie der weiteren Einzelhandelsgeschäfte in den verschiedenen Orten der Gemeinde der Antragsgegnerin.

Darüber hinaus sei die angegriffene Verfügung aber auch materiell rechtswidrig. Der Gewährung des freien Sonntags sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundlegende Bedeutung beizumessen. Es müssten gesetzliche Schutzkonzepte für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe erkennbar diese Tage als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Ladenöffnung bedeute dies, dass die Ausnahme eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes bedürfe. Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse ("Shopping-Interesse") potenzieller Käufer genügten grundsätzlich nicht. Dem Regel-Ausnahme-Gebot komme generell umso mehr Bedeutung zu, je geringer das Gewicht derjenigen Gründe sei, zu denen der Sonn- und Feiertagsschutz ins Verhältnis gesetzt werde, und je weitergreifend die Freigabe der Verkaufsstellenöffnung in Bezug auf das betroffene Gebiet sowie die einbezogenen Handelssparten und Warengruppen ausgestaltet sei. Deshalb müssten bei einer flächendeckenden und den gesamten Einzelhandel erfassenden Freigabe der Ladenöffnung rechtfertigende Gründe von besonderem Gewicht vorliegen. An einem solchen bei verfassungskonformer Auslegung des § 5 Abs. 1 NLöffVZG erforderlichen geeigneten Sachgrund fehle es im vorliegenden Fall. Die Kammer habe erhebliche Bedenken, ob die von der Antragsgegnerin vorgesehene Veranstaltung selbst für den Sonntag des 2. April 2017 derart prägend sei, dass sich die Sonntagsöffnung der Verkaufsgeschäfte nach den gesamten Umständen lediglich als Annex zur Anlassveranstaltung darstelle. Dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Eventkonzept lasse sich entnehmen, dass das ausschließlich in den Shopping-Zentren angebotene Begleitprogramm mit der Sonntagsöffnung „steht und fällt“ und voraussichtlich nicht geeignet wäre, ohne die Sonntagsöffnung einen nennenswerten Besucherstrom auszulösen. Soweit die Antragsgegnerin angebe, es würden etwa 30.000 Besucher erwartet, sei nicht ersichtlich, worauf sich diese Zahl stütze. Darüber hinaus unterscheide die Antragsgegnerin nicht zwischen den Besuchern, die wegen der Sonntagsöffnung der Geschäfte kämen, und den Besuchern, die allein wegen des Begleitprogramms kämen. Auch der zusätzlich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die prägende Wirkung geforderte enge räumliche Bezug zwischen Veranstaltung und geöffneten Geschäften sei dem vorgelegten Veranstaltungskonzept nicht zu entnehmen und dürfte sich bereits nach der Siedlungsstruktur der Stadt Garbsen ohne einheitliches Siedlungsgebiet in den entfernter liegenden Ortsteilen – wie zum Beispiel in dem 8 km von der Altstadt Garbsen entfernten Frielingen - nicht auswirken. Ob die vorgesehene „Garbsener Entdeckertour“, bei der mittels einer eigens dafür entwickelter App die Besucher zu Sehenswürdigkeiten an zehn nicht näher bezeichneten Standorten im Gemeindegebiet geleitet werden sollten, geeignet sei, eine Verbindung zwischen den im Süden des Gemeindegebietes liegenden Shopping-Zentren herzustellen, sei ebenfalls nicht ersichtlich. Auch fehle es an Anhaltspunkten für das Ausmaß der vorgesehenen Veranstaltungen. Bei der von der Antragsgegnerin für den 2. April 2017 geplanten „Entdeckertour Garbsen – Streetfestival“ handele es sich nach den von ihr mit den Verwaltungsvorgängen vorgelegten Unterlagen lediglich um eine Veranstaltungskonzeption. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich und vorgetragen, dass dieses Konzept tatsächlich verwirklicht werde. Im Internet finde sich auch drei Tage vor Beginn der Veranstaltung kein einziger Hinweis auf eine solche Veranstaltung. Der von der Antragsgegnerin mit der Antragserwiderung vorgelegte Zeitungsartikel vom 29. März 2017 zum verkaufsoffenen Sonntag am 2. April 2017 verweise zwar auf das von der „Arbeitsgemeinschaft Einzelhändler“ dazu vorgelegte Konzept mit einer Entdeckungstour durch die Stadt, weise aber darauf hin, dass eine adäquate Vorbereitung von Aktionen einige Wochen Vorlauf brauche und dass solche Großveranstaltungen für Garbsen kaum zu „stemmen“ seien. Konkret werde lediglich auf eine „Oster–Insel“ auf der Eventfläche im Erdgeschoss des Shopping Plaza hingewiesen.

Gegen den Beschluss der Kammer ist die Beschwerde zum Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zulässig.

Az. 11 B 2606/17

Artikel-Informationen

erstellt am:
31.03.2017

Ansprechpartner/in:
Burkhard Lange als Pressesprecher

Verwaltungsgericht Hannover
Leonhardtstraße 15
30175 Hannover
Tel: 0511 89750352
Fax: 0511 89750400

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